"Bach exemplarisch"

Bachs Lehrwerk

Martin Stadtfeld mit dem „Wohltemperierten Klavier“
im Bundesverwaltungsgericht

Das „Wohltemperierte Klavier“ (WK) von Johann Sebastian Bach: Hans von Bülow hat es als „Altes Testament“ bezeichnet, ein grandioses Lehrwerk ist es und zugleich eine beeindruckende Leistungsschau des Komponisten Bach. Teil eins des WK (BWV 846-869) ist in Bachs Köthener Zeit entstanden und enthält eine Sammlung von 24 Präludien und Fugen, die sich chromatisch durch alle zwölf Dur- und Moll-Tonarten schieben. Aber muss man es sich antun, das ganze WK 1 hintereinander anzuhören? Am Dienstagabend wollen dies weit mehr, als der Große Sitzungssaal des Bundesverwaltungsgerichts fassen kann. Die reichlich 250 Zuhörer, die Einlass finden, verbringen zweimal 45 Minuten im ausverkauften, stickigen Saal und können am Ende gar nicht genug bekommen.

Denn Martin Stadtfeld spielt den ersten Band des WK und nennt es „Bach exemplarisch“. Der junge Pianist, der 2002 den Internationalen Bach-Wettbewerb in Leipzig gewann, hat sich auch mit seiner neuen CD-Einspielung wieder auf Bach besonnen. Nun will er live zeigen, wie viel Barock und wie viel Romantik in Bachs Lehrwerk steckt. Hintereinander weg spielt er, auswendig, ganz versunken.

Bei dem Steinway-Flügel im Bundesverwaltungsgericht muss er sich um die Wohltemperierung, sprich: Stimmung, keine Sorgen machen. Vielmehr nutzt er alle Möglichkeiten des modernen Instruments hinsichtlich Dynamik, Farbgebung und Klangmodulation voll aus. Da wird schon mal ordentlich auf die Pedale getreten, schwimmen Akkorde verklärt dahin, tönt der Steinway wie zarter Harfenklang. Zart fließen die Präludien und Fugen aus Stadtfelds magischen Händen oder kommen trotzig, markig, nachdrücklich daher. Mal verliert er sich in Raum und Zeit, um kurz darauf in Ekstase durch das nächste Präludium zu preschen.

Und scheinbar verfügt Stadtfeld über Akkus mit Endlos-Power: Den lang anhaltenden, begeisterten Applaus und die vielen Bravo-Rufe erwidert er mit Prokofjews furioser, kraftzehrender Toccata, um gleich noch Bachs innige Siciliana nachzuschieben.

Birgit Hendrich

© Leipziger Volkszeitung, Donnerstag, 17. September 2009

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