Grußwort der Bundesministerin der Justiz

Der Nationalsozialismus hat ab 1933 den deutschen Rechtsstaat planmäßig zerstört. Recht, Sicherheit und Gerechtigkeit wurden durch Unrecht, Willkür und Terror ersetzt. Die deutsche Justiz und viele ihrer Angehörigen haben in der Folgezeit schwere Verbrechen begangen und große Schuld auf sich geladen. Der Reichstagsbrandprozess steht am Beginn der Zerstörung des Rechtsstaates. Das Verfahren und das Urteil gegen den vermeintlichen Brandstifter Marinus van der Lubbe verstießen gegen elementare Grundsätze der Gerechtigkeit. Nur durch den Bruch des rechtstaatlichen Grundsatzes, wonach eine Strafe vor einer Tat klar bestimmt sein muss, konnte van der Lubbe zum Tode verurteilt werden. Es war deshalb richtig, dass die Generalbundesanwaltschaft im Frühjahr 2008 förmlich festgestellt hat, dass das Todesurteil Unrecht gewesen und aufgehoben ist.

Ein kluger Kopf hat einmal gesagt, sich zu erinnern, heiße nicht, das Gedächtnis zu belasten, sondern den Verstand zu erleuchten. Wenn wir in diesem Tagen an den Prozess vor 75 Jahren und das Versagen der Justiz jener Zeit erinnern, dann tun wir das vor allem, um uns der Bedeutung unseres Rechtsstaates zu vergewissern. Eine starke Justiz mit unabhängigen Richterinnen und Richtern ist für Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit unverzichtbar. Der Rechtsstaat lebt ebenso wie die freiheitliche Demokratie auch vom persönlichen Engagement des Einzelnen. Deshalb begrüße ich es sehr, dass der Verein „Kunst und Justiz im Bundesverwaltungsgericht“ und seine Mitglieder sich so tatkräftig dafür einsetzen, die Erinnerung an den Reichstagsbrandprozess und das Schicksal Marinus van der Lubbes wach zu halten.

Diese Veranstaltungsreihe bietet Gelegenheit, sich in ganz unterschiedlicher Art mit den Ereignissen vor 75 Jahren zu befassen – wissenschaftlich und künstlerisch, juristisch und historisch, musikalisch und visuell. Ich danke allen, die mit ihrem Engagement als Veranstalter, Akteure oder Förderer zu diesem Programm beitragen und ich grüße alle, die – frei nach Lessing – durch das Erinnern ihren Verstand erleuchten.

Brigitte Zypries, MdB
Bundesministerin der Justiz

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