Alles fügt sich, überrascht …

Alles fügt sich, überrascht, lässt aufhorchen

Leipziger Kammerorchester mit Mozart-Marathon
im Gericht

Veranstaltungen zum 250. Mozart-Geburtstag sind derzeit inflationär. Da ist das Bedürfnis nach einem ausgewachsenen „Marathon“, wie es ihn am Wochenende im Leipziger Bundesverwaltungsgericht gab, eher begrenzt. Doch im punkvollen Großen Sitzungssaal funktioniert das Unterfangen. Dort bietet das Leipziger Kammerorchester in unterschiedlichen Formationen Kammermusik, Konzerte und die Jupiter-Sinfonie. Die Atmosphäre ist familiär, pausierende Musiker setzen sich ins Publikum, charmante Details sind die Live-Fanfaren als Pausengong und Lutschbonbons gegen Hustenreiz am Eingang.

Jeweils sieben Stunden können Mozart-Freunde am Samstag und Sonntag im Gericht verbringen. Besucher, die Karten für den kompletten Marathon erworben haben, sind allerdings enttäuscht, dass das Programm an beiden Tagen identisch ist. Aber man kann es durchaus auch zweimal hören. Oder je nach Lust und Laune unterschiedliche Ausschnitte.

Nach Wenzel Fuchs‘ stürmisch gefeierter Interpretation des himmlischen Klarinettenkonzerts steht das Oboenquartett KV 370 auf dem Programm. Unter Führung von Henrik Wahlgren klinget es zart und munter; die virtuosen Oboenläufe perlen und glitzern. Und hier wie in den übrigen Interpretationen des langen Abends gilt: Die Musiker sind mutig. Mutig genug, frech zu artikulieren, Vibrato allenfalls gezielt einzusetzen. Franz Vorraber findet fürs Klavierquartett KV 478 mit dem Blüthner zwar nicht das allerbeste Instrument vor – der Sound ist leicht verwaschen. Dennoch spürt man die schlanke, differenzierte Artikulation. Von sotto voce bis kraftvoll reicht die Palette, die eine enorme Ausdruckstiefe erreicht.

Die greift Dirigent Morten Schuldt-Jensen im Konzert für Flöte und Harfe auf. Der Entschluss, auch auf modernen Instrumenten weitestgehend ohne Vibrato zu spielen, erzeugt ungewohnte, intensive Klangerlebnisse. Schuldt-Jensen kostet die Dissonanzen aus, lässt das Kammerorchester lustvoll seiner durchdachten Interpretation folgen. Keine Begleitfigur verliert sich in Beiläufigkeit. Alles fügt sich, überrascht, lässt erstaunt aufhorchen.

Heike Bronn

© Leipziger Volkszeitung, Donnerstag, 16. Februar 2006

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