Gambensonaten im Gericht
Gesprächskonzerte haben Konjunktur –
Bach-Musik mit Jan Vogler und Martin Stadtfeld
Sind jugendliche Frische und überspringendes Musikantentum am Werk, ist das Ergebnis oft staunenswert. So war es gewiss kein Zufall, dass dessen Führungskopf Christoph Wolff die Rechtfertigung der aufführungspraktischen Ungenauigkeit zum Aufhänger seiner einführenden Worte machte. Das Bach-Archiv Leipzig lud für Dienstagabend ins Bundesverwaltungsgericht zu einem außergewöhnlichen Konzert …
Genauer gesagt: Man lud in den historischen Plenarsaal – mit seiner nicht zu unterschätzenden hölzernen Überakustik. Dass man dort Johann Sebastian Bachs Gambensonaten mit Cello und Klavier hört, begründet Wolff wortreich. Das Pro-Argument, schließlich habe es das Cello ja zu Bachs Zeit schon gegeben, und der Meister besitze großen Anteil an der Entwicklung des Klaviers, ist ein wenig streitbar, bedenkt man, dass die Werke relativ spät und explizit für Gambe entstanden. Doch die Aufführung rechtfertigt das Unterfangen weitestgehend. Also, Gesprächskonzerte haben Konjunktur, und Wolff überfliegt Formanalyse und Gattungsgeschichte in weniger als 30 Minuten und schafft es in diesem Zeitfenster auch noch, die analytische Lupe über neuralgische Punkte zweier der drei Sonaten zu halten.
Das Ergebnis ist gewissermaßen ein kleiner Themenabend, der dank vierer Zugaben dann sogar fast Konzertlänge hat. Martin Stadtfeld und Jan Vogler haben sich da ganz offensichtlich eine Baustelle geschaffen und selbst merklich Spaß an dem Projekt. Kammermusik im allerbesten Sinne machen die beiden Musiker – eingespielt und ohne Routine aukommen zu lassen. Mit Frische und mächtigem Drive sind da zwei absolute Könner am Werk. Dennoch den großen Bogen zu finden und zu spannen, ist schwer in diesem Raum. Hier im Plenarsaal jedenfalls haben der Pianist und ganz besonders der Cellist auch noch sämtliche Ohren voll zu tun, in Bezug auf Tempo und Dynamik auf die nicht immer sonderlich vorteilhaften akustischen Gegebenheiten zu reagieren.
Warum der einzige Nicht-Bach an diesem Abend (die Schostakowitsch-Zugabe) den deutlich stärksten Beifall entfesselt, mag zwar mit Blick auf Raum und Besetzung zu denken geben; hat aber vielleicht auch damit zu tun, dass das, was die Musiker da hinlegen, schlicht furios ist. Gelöster, wenn auch nicht präziser, klingen danach auch die drei Bach-Wiederholungen.
Tatjana Böhme-Mehner
© Leipziger Volkszeitung, Freitag, 5. Dezember 2008